Es braucht ein Dorf

In einem Zeitungsartikel  las ich vor kurzem folgende Aussage eines französischen Kinderarztes auf die Frage, warum Französinnen so viele Kinder bekommen: “Sie bekommen so viele Kinder, gerade weil sie sich nicht um sie kümmern müssen!” 

Diese Aussage klingt gerade im Zusammenhang dieses Artikels sehr böse. Aber losgelöst davon, steckt ein Funken Wahrheit darin. Denn französische Mütter müssen sich nicht alleine kümmern, wie es hier in Deutschland oft der Fall ist. Sie haben Unterstützung von Kindermädchen, KrippenerzieherInnen und der Ganztagsschule. Es bleibt nicht alles an der Kleinfamilie hängen.

Nun kann man sagen, das französische System sei auch nicht optimal. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es einfacher ist, das Leben mit Kind(ern) zu meistern, wenn man es nicht alleine tun muss.

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.

Früher gab es diese Dorf noch. Die Großfamilie, aber auch Freunde und Nachbarn kümmerten sich selbstverständlich mit um die Kinder. Die Kernfamilie war in ein Netz vielfältiger Beziehungen eingebunden. So wuchsen auch die Kinder ganz natürlich in dieses Beziehungsnetz hinein, mit vielfältigen Beziehungen und mehreren Bezugspersonen.

Heute sieht das oft anders aus. Die Großfamilie gibt es fast nicht mehr (ich kenne außer mir wenige Menschen, die drei Geschwister haben) und oft leben wir weit weg von den anderen Familienmitgliedern. Gerade in der Großstadt sind auch die Beziehungen zu den Nachbarn meist nicht so eng.

Da gilt es, sich ein eigenes Dorf zu schaffen. Freundschaften sind da eine gute Basis, aber zum modernen Dorf gehören auch Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Tagesmutter gehört genauso zu unserem Netzwerk wie der Babysitter, die Erzieherin im Kindergarten so wie auch unsere Freunde und meine Eltern.

“Ein eigenes Dorf schaffen” bedeutet aber auch, dass ich bereit sein muss, neue Beziehungen aufzubauen mit den Menschen, die Teil meines Dorfes werden sollen. Und es bedeutet, Menschen, die mir zunächst fremd sind, aber zunehmend vertraut werden einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Das ist natürlich schwieriger, als auf ein über Generationen gewachsenes Netzwerk zurückgreifen zu können.

Es hat aber auch den Vorteil, dass ich mir die Bewohner meines Dorfes selber aussuchen kann. Mit so einem selbst gegründeten Dorf stehe ich nicht mehr alleine vor der Herausforderung, das Familienleben zu meistern. Ein tragfähiges Netz gibt meiner Familie Halt und mir Entlastung. Da lohnt sich die Investition in den Aufbau dieses Dorfes.

Uta
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch

3 Gedanken zu „Es braucht ein Dorf“

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