Attachment Parenting in der Schule?

In einer Facebook-Gruppe kam neulich die Frage auf, ob man AP-Anhänger und gleichzeitig Lehrer_in im staatlichen System sein könne. Diese Frage beschäftigt mich sehr, weil ich ja ebenfalls versuche, mit meinen Kindern eine gute Bindung zu haben und gleichzeitig im staatlichen System Lehrerin bin.

Dabei gehe ich von meiner eigenen Situation aus. Ich bin Lehrerin an einem Ganztagsgymnasium. Dazu kommt noch, dass ich keine Klassenleitung innehabe, also mein Kontakt mit den Schüler_innen weitgehend auf den Unterricht beschränkt ist. Dies ist auch wichtig zu sehen, denn bei Klassenleitung oder zum Beispiel in der Grundschule bestehen ganz andere Kontaktmöglichkeiten zu den Schüler_innen.

Bindung zu den Schüler_innen?

Mir persönlich ist es sehr wichtig, in meinen Schüler_innen nicht nur Objekte meiner Unterrichtsbemühungen zu sehen, sondern auch Menschen. Dennoch habe ich über 100 Schüler_innen und kann unmöglich zu jeder/jedem von ihnen eine intensive Bindung eingehen.

Aber ich kann meinen Schüler_innen authentisch begegnen. Sie sollen mich auch als Mensch kennen lernen. Daher gehöre ich nicht zu den Lehrer_innen, die ihr Privatleben komplett von den Schüler_innen fern halten. Ich begegne meinen Schüler_innen mit dem gleichen Respekt, den ich auch von ihnen bekommen möchte.

Schon in meiner Unterrichtsvorbereitung versuche ich innnerhalb des vorgegebenen Rahmens die Interessen und Bedürfnisse meiner Schüler_innen zu berücksichtigen. In Klassen von 25 oder mehr Schüler_innen kann ich trotzdem nie alle Interessen treffen. Und ich muss gestehen, dass ich totale Individualisierung einfach nicht umsetzen kann. Dazu bin ich nicht ausgebildet worden. Aber ich lerne ja stetig hinzu.

Einschränkungen durch Vorgaben

Die Richtlinien und Regeln stellen ein weiteres Hindernis dar. Denn ich muss Noten geben, Klassenarbeiten schreiben und die Schüler_innen beurteilen. Dadurch entsteht automatisch eine Hierarchie.

Es ist eine Illusion, dass Lehrer_innen und Schüler_innen Freunde sein können. Denn durch die institutionellen Vorgaben steht immer die Hierarchie dazwischen.

Hinzu kommt noch, dass eine gewisse professionelle Distanz wichtig ist, denn ich möchte mich bei der Bewertung der Leistungen meiner Schüler_innen nicht von Sympathie leiten lassen. Das wäre unprofessionell und ungerecht.

Ich habe mir auch die Frage gestellt, inwieweit mich meine Schüler_innen überhaupt als Mensch wahrnehmen. Denn sie sehen in mir in erster Linie die Lehrerin. Und als solche bin ich für sie auch Reibungsfläche. Dadurch, dass ich meinen Schüler_innen authentisch begegne, werde ich für sie als Mensch wahrnehmbar. Aber ob sie mich auch so sehen wollen und überhaupt die Distanz zwischen uns abbauen möchten, entscheide ich nicht allein. Ich kann ihnen als möglicher Ansprechpartner zur Verfügung stehen, wenn sie das wollen. Ich halte nämlich auch nichts davon, mich meinen Schüler_innen aufzudrängen.

Familie zuerst

Bei all diesen Überlegungen ist es mir auch wichtig zu betonen, dass meiner Familie für mich immer an erster Stelle steht. Ich kann nicht jedes Problem meiner Schüler_innen mit nach Hause nehmen. Schließlich möchte ich vor allem für meine Familie eine Beziehungspartnerin sein und sie sollen nicht unter meiner Arbeit leiden.

Geht das denn nun?

Ich denke, dass es möglich ist, den Schüler_innen gute Beziehungsangebote zu machen. Ich kann ihnen authentisch und mit Respekt begegnen. Was daraus entsteht kann sehr unterschiedlich sein. Das ist genauso spannend, wie jede menschliche Begegnung.

Mich würden Eure Erfahrungen und Gedanken sehr interessieren.

 

Uta
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch

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