Homeoffice ist auch (k)eine Lösung

Da diskutiert die FAZ gerade lang und breit, warum die Deutschen denn nun (keine) Kinder bekommen. Angestoßen natürlich vom Herrn Asmussen, dem sich blitzschnell auch Frau von der Leyen, unsere Familienministerin und Herr Gabriel anschlossen. Wer hier nicht auf dem Laufenden ist: Dr.Mutti liefert eine scharfzüngige Zusammenfassung.

Die Herren und Frauen Politiker ergänzen mit der nonchalanten Aussage, dass sie eben Teile der Arbeit “von daheim aus” erledigen würden. Homeoffice also.

Ich schmeiße hier jetzt wahllos reines Homeoffice, Angestellte mit “ab und zu Homeoffice”, Angestellte mit “überwiegend Homeoffice” sowie “nur im Notfall Homeoffice” in einen Topf. Wir könnten ja noch feiner differenzieren, insbesondere was die Vereinbarkeit von Homeoffice im Familienalltag betrifft – samt Alter der Kinder und Branche des Erwerbstätigen. Später, in gesonderten Posts.

Homeoffice ist eine Lösung

Ja, durchaus. Klingt doch auch verlockend: Arbeiten, während gleichzeitig die Kinder daheim sind. Oder auch nicht. Auf jeden Fall: keine Fahrtzeiten ins Büro. Kein Stau, kein Pendlerverkehr. Im Zweifel sind die Kinder mal eben schnell aus der Betreuung abgeholt. Ökologischer dürfte das allemal sein.

Als Abkehr zur Präsenzkultur ist Homeoffice die Lösung für die meisten Kreativen.

  • Arbeiten, wann und wo mann/frau will. Auf dem Sofa, dem Dach, im hippen Café, nachts oder in den frühen Morgenstunden.
  • Arbeiten, wann mann/frau will. Morgens, abends, nachts, mit Pausen oder ohne.
  • Arbeiten, ohne gestört zu werden. Keine Bürokollegen, keine Besprechungen, keine Einladungen zum Mittagessen – wer statt im Büro daheim arbeitet, ist für diese Ablenkungen naturgemäß nicht verfügbar.

Eine Freundin schafft in der Buchhaltung einer großen Werbeagentur. Am liebsten arbeitet sie zwischen 16:00 und 20:00 – weil dann endlich die Kollegen nach Hause gehen und esim geschäftigen Großraumbüro leise wird.  Homeoffice ist nicht immer drin, sagt sie, es bestehe Präsenzkultur.

Homeoffice ist keine Lösung

Homeoffice ist noch längst nicht in jeder Branche angekommen. Auch nicht in absolut jeder Branche machbar. Die Kassierer im Supermarkt jedenfalls können bei allem guten Willen nicht mal eben auf das derzeit hochgelobte Homeoffice-Treppchen aufspringen.

Arbeitspsychologen sind im Umgang mit vollständiger Erreichbarkeit sehr kritisch. Smartphones im Urlaub, Homeoffice und E-Mails an den Abteilungsleiter um 23:55 am Samstagabend? Kommt vor. Kompliziert wird es, wenn die Arbeitnehmer nicht mehr abschalten und “Off” Knöpfe drücken können. Homeoffice verlockt dazu. Die Anspruchshaltung steigt, beim Chef genauso wie bei den Arbeitnehmern. Die bisherigen Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitszeit verschwimmen zunehmend.

Während es für die Technik und den Datenschutz meist vergleichbar gute Richtlinien und Vorgaben von Unternehmensseite aus gibt – wie steht es mit den klaren Absprachen zu Arbeitszeiten für Homeoffice-Worker? Projektorientierte Absprachen sind aktuell kein Standard in der deutschen Wirtschaft. Stattdessen werden die klassischen Arbeitszeiten einfach auf Laptop und privates Büro verlagert. Auch wenn Homeoffice eine gute Idee ist, um die Arbeitswelt zu modernisieren: So geht’s eben nicht.

Innerhalb der Familien hat sich der Gedanke “Homeoffice ist auch arbeiten” noch längst nicht durchgesetzt. Oft genug macht der Partner im Homeoffice parallel den Abwasch, schmeißt die Waschmaschine an und kehrt mal eben durch. (Buchtipp: Die Heidi hat das hier so treffend geschrieben. Reinschauen lohnt!). Wer das nicht macht, bekommt parallel auch gerne vom außerhäusig arbeitendem Partner am Abend eine drauf: Weil ja nichts erledigt wäre. Homeoffice ist zweierlei: ArbeitsORTverlagerung und Grundlage für zahlreiche, erbauliche partnerschaftliche Diskussionen. Meistens.

Homeoffice mit Kindern 

Wer eigene Kinder hat, denkt sich jetzt wahrscheinlich: “Naja, natürlich müssen die Kinder gut betreut sein in der Arbeitszeit. Homeoffice hin oder her. Ist doch klar.”

Tja. In der aktuellen Vereinbarkeitsdebatte klingt das bei den Herren und Frauen Politikern allerdings anders. Als wäre es kein Problem, gleichzeitig Kinder zu betreuen und zu arbeiten. Mal eben die Bundeswehr neu strukturieren und familienfreundlicher machen? Als Superminister dem Töchterchen einen netten Nachmittag bereiten und parallel “etwas arbeiten”?

Seien wir ehrlich: es geht. Es geht alles. Bis zu einem gewissen Punkt. Der war bei mir vor 1,5 Jahren an einem Nachmittag erreicht:

Beide Kinder am Nachmittag daheim. Anruf auf dem Geschäftstelefon mit unbekannter Nummer. Nun gut, mal eben hören wer dran ist…. und es war ein Interessent. Mit großem Volumen. Viel zu tun, guter Auftrag. Und nicht willens, lieber am nächsten Tag nochmal anzurufen. Es ginge doch schnell, sagte er…. Dazwischen kreischten die Kinder – und nahmen mir in 20min Erstberatung das Bad auseinander. Es ist eine hohe Kunst, einem unbekannten Gesprächspartner am Telefon detailgetreu die Vorgehensweise für Aufträge zu erklären, mal eben Ideen für neue Produkte aus dem Hut zu zaubern – während die Kinder mit Creme und Geschrei im Badezimmer wüten. Abstand: max. 1 Meter, mehr wurde nicht akzeptiert. Ich bin ganz ehrlich: Ich hätte nach diesen 20min nicht mehr viel erzählen können – weder über die besprochenen Ideen noch über den Interessenten am Telefon. Professionell? Ganz und gar nicht.

Weder Familien- noch Verteidigungsministerin werden wohl genauso agieren – denn sie sitzen am oberen Ende des Machthebels. Ich habe übrigens das Geschäfts-Ohr seitdem zwischen 16:00 und 21:00 Uhr aus. Definitiv, wenn ich mit den Kindern allein bin.

Das “mal eben schnell” Prinzip schleicht sich schnell ein, wenn man als Eltern nicht aufpasst. Aus einem “Lass mich mal eben noch die Rechnung schreiben und das Mailing beenden” werden blitzschnell Stunden. Zeit genug, damit die Kinder (und manchmal auch der Partner) über Homeoffice und freie Arbeitszeiteinteilung die Augen rollen. Im Sinne von bindungsorientierter Elternschaft wird es dann schon schwierig, den Spagat zwischen Arbeit und Familie zu schaffen. Ohne zu schimpfen, zu meckern oder die Kinder vor den nächstgelegenen Medien zu parken.

Wie Homeoffice klappt 

Mit Baby lief Homeoffice hier sehr gut. Baby auf den Bauch gelegt, im Tuch auf den Rücken gebunden… warten bis es schläft und ab an die Tastatur. Bis der kleine mobiler wurde. Dann Decke auf den Boden. Oder Mama auf dem Boden mit Decke und Laptop auf den Knien. Ab dem 1. Geburtstag dann Betreuung in der Krippe – und nur noch selten arbeiten zwischen 16:00 und 21:00 Uhr. Weil da die Kinder dran sind. Im Krankheitsfall ist das Telefon aus und E-Mails werden schnell beantwortet, sobald das Kind schläft.

Wichtige Rahmenbedingungen für Eltern sind meiner Erfahrung nach außerdem:

  • Räumliche Trennung, am besten abschließbare Bürotüren. Stichwort Datenschutz & Datensicherheit. Erleichtert außerdem die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit, hat also auch psychologische Aspekte.
  • Klare Arbeitsregelungen. Wer daheim arbeitet, macht nicht noch zusätzlich die Wäsche, öffnet dem Postboten die Tür oder organisiert Arzttermine. Außer, derjenige würde das auch vom Büro aus erledigen.
  • Disziplin und Arbeitsorganisation. Wer sich aussuchen kann, wann er was wie bearbeitet, arbeitet unter Umständen erstmal gar nichts.  Oder nur das unwichtige. Oder reagiert auf Kollegen-E-Mails immer dann, wenn die schon lange schlafen. Struktur und Organisation sind wirklich alles im Homeoffice!
  • Soziale Verknüpfung. Nein, eben nicht Facebook, sondern der Kontakt zu Kollegen. Gilt vor allem für die, die nur noch selten im Büro sind.
  • Altersgerechte Betreuung der Kinder. Das Schulkind muss ich nicht zwangsläufig in den Hort schicken, das bewegungsbedürftige Kleinkind wird dagegen in der KiTa glücklicher sein als auf meinem Schoß, während ich öde auf der Tastatur klickere.

Manche Tätigkeiten (Kundenanrufe, E-Mails, Projektplanung) lassen sich auch unterwegs erledigen. Während die Kinder beim Turnen sind, beispielsweise. Ob und in welcher Form das individuell passt, kommt auf Kind, Tätigkeit und eigene Disziplin an. Dazu gibt es demnächst einen Artikel zum Thema Achtsamkeit – etwas, was gerade bei parallelem Homeoffice und Kindern von großer Bedeutung sein kann.

Ergänzung aus Juni 2014: Homeoffice ist die Lösung, aber es mangelt an Motivation und Energie? Ein paar Anregungen bietet die Artikelsammlung zu “Motivationstipps und Erfahrungen”

Sabrina
Hy, hier schreibt Sabrina. Freiberuflich als Copywriterin anzutreffen, mit Mann & zwei Kindern in enger Gemeinschaft. Feministisch, bindungsorientiert & zutiefst sarkastisch. Bekennende #coffeeholic

3 Gedanken zu „Homeoffice ist auch (k)eine Lösung“

  1. Ich kann dem Luxus frönen, selbständig von meinem Homeoffice zu arbeiten und genieße dies sehr. Nach der Schule kann unser großes Kind kommen und in Familienatmosphäre ein gesundes Mittagessen essen, während andere Kinder in katastrophaler Atmosphäre in der Nachmittagsbetreuung Großküchen-Kost in zweifelhafter Qualität (Geschmacksverstärker, etc.) zu sich nehmen. Unser mittleres Kind kann ich aus dem Kindergarten abholen und auch dieses Kind kann mit den Geschwistern und mir am Tisch sitzen und sich austauschen. Und unser kleines Kind ist noch nicht drei und ist immer dabei. Manchmal ist dieses Multitasking sehr anstrengend und ich freue mich auf die Zeit nach dem Mittagessen, wenn die Kinder dann alle zusammen zum Spielen erst einmal in die Zimmer verschwinden, doch missen möchte ich meine Arbeitssituation nicht. Eine ruhige Atmosphäre, ein Gefühl von Zuhause, Zählen lernen beim Kochen, Malen oder Konfettibilder kleben mit mir – während ich telefoniere und nicht den halben Vormittag unangesprochen im Kindergarten umhertorkeln. Ich kann dies gut mit meinem Gewissen vereinbaren, auch wenn ich nach 20.00 Uhr locker noch fünf oder sechs Stunden täglich arbeite. Aber das müsste ich ja sowieso als Selbständige – Büro hin oder her.
    Und um den Begriff “Luxus” noch einmal aufzugreifen. Bei unserem ersten Kind habe ich nach wenigen Wochen wieder angefangen zu arbeiten und es hat mir das Herz gebrochen. Es tut mir leid für all diejenigen Mütter, die gerne mit ihren Kindern Zuhause sein möchten, aber deren Beruf es nicht anders möglich macht. Auch tut es mir leid, dass in den Medien immer suggeriert wird, dass Frauen sich für Dummchen am Herd verkaufen lassen, wenn sie für die Kinderbetreuung aussteigen. Von welchen merkwürdigen Partnerschaften wird hier ausgegangen? Männer müssten sich eigentlich beleidigt fühlen, wenn sie permanent unterstellt bekommen, dass sie die Hausarbeit und die Arbeit in der Kindererziehung nicht zu schätzen wüssten.

    1. Danke für deinen Kommentar Nathalie.

      Deine Einschätzung über Kindergärten teile ich zwar nicht…

      Also ist Homeoffice für dich im Großen und Ganzen unproblematisch? Kein Problem, Kinder und Telefonate/Arbeit unter einen Hut zu bringen?

      Mir gelingt das ja auch. Durchaus. Was mich nervt in der öffentlichen Diskussion ist diese Verklärung, das Homeoffice das neue nonplusultra wäre. Was es nicht ist, denn es passt nicht zu jeder Branche, jedem Beruf, zu jeder Familie. Ruhiges Telefonieren ist hier derzeit nicht drin, nicht mal privat. Und warten, bis die Kinder in der Schule sind, kommt auch nicht Frage.

      Diese Medieneinschätzung teile ich allerdings. Natürlich müssten sich die Männer beleidigt fühlen – aber tatsächlich *wissen* viele trotz allem nicht, was so eine Woche allein mit Kindern bedeutet. Das beruht jetzt auf Erfahrungen direkt aus meinem Umfeld. Und aus gesellschaftlichen Betrachtungen – es gibt ja genügend “Der neue Mann” Quellen, die sich genau damit beschäftigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert