Interview: Mutterschaft und Feminismus


 

Dein Name (egal ob klarname, pseudonym, blog…)

Uta: Uta (wer hätte das gedacht?).

Sabrina: Ja, Sabrina halt.

Hast Du (eigene, adoptierte, zu pflegende…) Kind(er), möchtest Du welche, hast Du Dich bewusst dafür/dagegen entschieden, welche Voraussetzungen bräuchtest Du um Kinder bekommen zu können/wollen?

Uta: Ich habe zwei Söhne. Würde auch noch ein drittes Kind willkommen heißen. Entschieden habe ich mich für die Kinder aus dem Bauch heraus. In mir sträubt sich etwas dagegen, Kinder so zu planen, wie die Anschaffung eines neuen Autos oder einer Waschmaschine.

Sabrina: Ich habe zwei Kinder, ein Pärchen. Kinder haben schon immer zu meinem Lebensentwurf gehört, das schien logische Konsequenz vom Erwachsenwerden zu sein: Ausbildung, Arbeit, Kinder & Partnerschaft.Glücklicherweise auch bei meinem Mann, sodass das Kinderbekommen nie ein Thema war. Der Zeitpunkt war der einzige kritische Punkt, letztlich ist es vergleichsweise schnell zu beiden Kindern gekommen – viele aus meinem Jahrgang haben die Kinder doch eher später bekommen. Geplant, gewünscht, aus heutiger Sicht aber etwas zu dicht hintereinander.

Spielt der leibliche Vater eine Rolle? Oder anders: welche Rolle spielt er (für Dich/für die Kinder)?

Uta: Mit dem leiblichen Vater bin ich verheiratet. Wir leben zusammen und teilen uns die Arbeit so gut es geht auf. Zur Zeit bin ich die Hauptverdienerin und mein Mann kümmert sich um den Haushalt und orientiert sich beruflich neu.

Sabrina: Wie Uta auch: ich bin mit dem leiblichen Vater verheiratet. Manchmal scherzen wir darüber, dass wir, die wir eher alternativ eingestellt sind, dann doch so “spießig” sind .. aber, so ist es halt. Als Vater spielt er eine wichtige Rolle in der Familie – so wie jeder innerhalb unserer Familienkonstellation. Er ist mein Partner und der Vater der Kinder (auch wieder: schon spießig, gell?!)

Teilst Du Dir die Sorgearbeit fürs Kind mit jemandem? Wie? Und wie wäre es Dir am Liebsten?

Uta: Mit den Kindern leben wir gemeinsam und kümmern uns auch gemeinsam um sie. Der Große geht schon auf die weiterführende Schule, der Kleine in den Kindergarten. Im Moment teilen wir uns die Sorge um die Kinder gleichberechtigt auf. Als mein Mann noch voll berufstätig war, habe ich mich viel mehr um die Kinder gekümmert. So wie es jetzt ist, finde ich es zwar oft anstrengender (man muss mehr diskutieren), aber besser.

Sabrina: Wir teilen die Arbeit. Eher in klassischer Verteilung, was bedeutet: Ich behalte alle die kleinen Details im Kopf, mache die Termine, kontrolliere Aufgaben, bespreche mich mit Erziehern usw. Neben dem Vater gibt es hier noch eine enge Verbindung zu den Großeltern, die sich soweit wie möglich einbringen. Das ist uns auch wichtig, dass hier außerhalb der Kernfamilie auch tiefere Bindungen entstehen. Letztlich sind durch die externe Betreuung beider Kinder auch Teile unserer Sorgearbeit auf die Krippen- und Kindergartenerzieherinnen übergetreten. Am liebsten wäre mir das klassische Dorf. Die Konstellation, dass ich im blödesten Fall nicht das gesamte Wochenende allein mit den Kindern verbringe, weil die Großeltern im Urlaub und der Partner in der Arbeit ist – diese Situationen mag ich gar nicht. Ich hätte gern mehr Familie um mich, dicht um mich herum.

Wenn Du in einer Partnerschaft lebst: Wie teilst Du Dir Lohn- und Sorgearbeit? Gab es dazu “Verhandlungen”? Was waren die Gründe für Eure Arbeitsteilung?

Uta: Verhandelt haben wir nie so richtig darüber. Beim ersten Kind habe ich noch studiert, mein Mann hat unseren Lebensunterhalt gesichert. Da lag der Fokus darauf, dass ich mein Studium zügig beende. Gleichzeitig hatte ich aber mehr Flexibilität mich um das Kind zu kümmern. Daher war das weitgehend meine Aufgabe und ist dann auch so geblieben, selbst als ich Vollzeit gearbeitet habe. Erst als mein Mann nun nach der Geburt des zweiten Kindes in seiner Arbeit immer unzufriedener wurde, hat sich das verändert. Seine Entscheidung, erst einmal eine berufliche Auszeit zu nehmen und sich um Haushalt und Familie zu kümmern, hat viele Veränderungen gebracht, die auch immer noch nicht abgeschlossen sind. Es bleibt spannend.

Sabrina: Ursprünglich haben wir – vor den Kindern, haha! – darüber verhandelt. Ausgemacht war, dass derjenige mit höherem Gehalt entsprechend “mehr” arbeitet. Letztlich bin ich trotz höherem Bildungsabschluss diejenige, die weniger verdient. Außerdem ist meine Arbeitszeit als Freiberuflerin unbestreitbar flexibler – mein Mann arbeitet nach festem Schichtplan, der auf Jahre hinaus feststeht. Dazu kommt, dass gerade unser erstes Kind ein tendenziell “Schwieriges” war, dass sich mit absolut nichts außer Mama zufriedenstellen ließ. Und ich meine: nichts. Weder für meinen Mann noch für mich kamen stundenlanges, exzessives Brüllen beim Baby in Frage – also verblieb gerade in den ersten zwei Jahren die Sorgearbeit fürs Kind deutlich stärker bei mir. Beim zweiten Kind war das nicht mehr so, das war nämlich pflegeleichter … Diese Verhandlungen, wenn sie denn überhaupt geführt werden – die führen angehende Eltern meistens ohne die Variable “Kind”. Wäre mein Jüngster das erste Kind gewesen, ich wäre wesentlich schneller ins Angestelltenverhältnis gewechselt, das ist absolut klar.

Was bedeutet für Dich Mutterschaft? Steht diese Bedeutung für Dich in einem Konflikt zu Deinem Feminismus-Verständnis?

Uta: Ich wollte immer Kinder haben. Für mich gehört das zum Leben dazu. Mein Feminismus-Verständnis ist aber durch meine Mutterschaft noch verändert worden. Erst durch mein Mutter-Sein habe ich gemerkt, wieviel Ungleichheit es in unserer Gesellschaft noch gibt. Daher ist Feminismus für mich zu einem immer wichtigeren Thema geworden. Für mich gibt es dort keinen Konflikt, weil Feminismus für mich bedeutet, dass jeder Mensch so leben kann, wie er/sie es möchte, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, etc.

Sabrina: Ich kann keine Frau sein, wenn ich Mutter-sein kategorisch ausschließe. Schließlich ist “Mutter werden” schon biologisch in mir angelegt. Für mich liegt da also kein Widerspruch verborgen. Wobei ich im Laufe der Zeit mein Verständnis von Mutterschaft reduziert habe. Mein ursprüngliches, eher goldenes Bild von einer friedlichen Mutter-Kind-Beziehung hat sich der Realität angepasst. Es gibt verschiedene Konstellationen für Mutter-Kind-Beziehungen, es gibt verschiedene Arten des Zusammenlebens und des Glücks innerhalb der “Mutterschaft”. Das war ein Prozess, der bei mir einige Zeit angedauert hat. Ganz angekommen bin ich noch nicht, bei der endgültigen Definition von “Mutterschaft” für mich selbst. Feminismus war übrigens kein Thema für mich VOR der Mutterschaft. Ich bin in einer emanzipierten Umgebung aufgewachsen. Arbeitende Frauen, die eigene Entscheidungen treffen, waren und sind für mich selbstverständlich. Dass hier gesellschaftlicher Bedarf besteht, wurde mir erst durch die Kinder bewusst. Wie stark doch das alte Rollendenken in der Gesellschaft ist – wie massiv die “Mommy wars”, in denen Mütter sich mit unterschiedlichen Ansichten zu Erwerbstätigkeit und Mutterschaft bekämpfen.

Was braucht es Deiner Meinung nach, um feministische Mutterschaft zu leben? Welche Rahmenbedingungen bräuchtest Du, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, um Deine Vision vom “guten Mutter- und Feministin-Sein” leben zu können? 

Uta: Ich finde es wichtig, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit es eine echte Wahlfreiheit gibt. Ich möchte nicht von der Politik oder der Wirtschaft diktiert bekommen, wie ich mein Leben zu leben habe. Daher bin ich klar für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab Geburt, damit alle Menschen – Frauen und Männer – sich entscheiden können, wie sie leben möchten. Außerdem finde ich persönlich eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Betreuung für die Kinder absolut wichtig.

Sabrina: Wahlfreiheit. Das ist auch wieder so ein Begriff, den frau mal mit Leben füllen müsste. Ich kann nur frei wählen, wie viel Zeit ich (ausschließlich) mit Kindern/Arbeit verbringen will, wenn ich keine emotionalen und finanziellen Einbußen befürchten muss. Wer einmal arbeitet und dann seine Rentenvorausberechnung erhält, bekommt die Krise – sofern er/sie es wagte, Kindererziehungszeiten einzuplanen. Die Honorierung von Kindererziehung – schließlich sind Kinder keine Privatsache! – steht für mich an erster Stelle. Wenn selbstverständlich Kindererziehung als “Arbeit” angesehen wird, dürften die Mommy Wars sich immerhin auf kleinere Bereiche beschränken. Dann geht es vielleicht “nur” noch um Frühförderung, aber nicht mehr um Arbeiten oder nicht.

Was bedeutet Dein Feministin-Sein für die Erziehung Deines_r Kind_er? (z.B. Vorbilder suchen, was für Stereotype ans Kind herangetragen werden, Kleider-/Spielzeugwahl)

Uta: Meine Kinder haben Zugang zu dem Spielzeug, das ihnen gefällt. Sie können genauso mit Puppen wie mit Autos spielen und sich dort frei entscheiden. Bei der Kleiderwahl mache ich da leichte Zugeständnisse an meinen Mann, der sich hier noch schwer tut. Aber der kleine Sohn besitzt auch ein “Hello Kitty”-T-Shirt (in schwarz), mit dem er bereits im Kindergarten war. Generell gehören wir nicht unbedingt zu den Menschen, die sich an den gesellschaftlichen Mainstream anpassen, daher fällt es mir auch hier nicht schwer, mit den Kindern gemeinsam solche Vorstellungen zu hinterfragen. Da ich aber meine Kinder nicht erziehe, möchte ich ihnen meine Ideen auch nicht aufzwingen. Sie kennen aber schon meine Meinung dazu.

Sabrina: Sehr zum Leidwesen der Großeltern bestehe ich auf Spielzeug, dass nach Möglichkeit (!) nicht nur aus blau-Auto und rosa-Glitzer besteht. Die Welt ist bunt und ich möchte das meinen Kindern auch zeigen. Verboten sind solche Sachen aber nicht, weshalb es inzwischen eine ziemliche Rosa-Schwemme im Kinderzimmer gibt. Was es aber definitiv gibt: Puppen für den Jungen und technischer Schnickschnack fürs Mädchen. Es hilft, dass wir als Eltern da durchaus auch “feministisch” aufgestellt sind: Der Gatte kocht und bäckt und ich komme absolut gut mit technischem Schnickschnack klar. Davon haben wir auch einfach viel, auch damit wachsen beide Kinder selbstverständlich auf.

Hast Du andere Mütter in Deinem Umfeld, die was mit Feminismus anfangen können? Wo holst Du Dir Unterstützung?

Uta: Unterstützung bekomme ich hauptsächlich im ehrenamtlichen Engagement, wo ich viele tolle Frauen kennen gelernt habe, die ähnlich ticken wie ich. Außerdem habe ich in sozialen Netzwerken viele Kontakte zu Gleichgesinnten knüpfen können.

Sabrina: Es hilft, sich ähnlich denkende Frauen als Freundinnen auszusuchen. Beziehungsweise solche, die zumindest über reines Rollendenken hinaus gehen und sich auf andersartige Gedanken einlassen wollen. Die habe ich über Ehrenamt und regionales Engagement kennen- und schätzen gelernt. Ab und an in die geeigneten Fachforen, Blogs oder Facebookseiten zu gucken, hilft auch ungemein.

Welche Bedeutung hat Erwerbsarbeit für Dich?

Uta: Ich arbeite gerne. Meist macht mir meine Arbeit Spaß und ich möchte nicht dauerhaft ohne sein. Natürlich habe ich das Jahr Elternzeit genossen, aber ich habe es auch wiederum für meine persönliche Weiterentwicklung genutzt, die mir auch im Beruf und bei meiner Zukunftsplanung weiter hilft. Ich könnte mir nicht vorstellen, ausschließlich zu Hause bei den Kindern zu bleiben, einfach weil mir dann der Austausch mit anderen Erwachsenen zu kurz kommen würde, genieße aber auch die Familienzeit.

Eine andere Komponente, die mir wichtig ist, ist auch meine finanzielle Unabhängigkeit. Ich möchte gerne eigenes Geld verdienen.

Sabrina: Arbeiten gehört zum Leben dazu. Ich kenne das gar nicht anders und seit meinem 14. Lebensjahr arbeite ich fast ununterbrochen auch. Es ist mir wichtig, die finanzielle Verantwortung für meine Familie und unser Auskommen mitzuschultern. Es ist mir unangenehm, wenn ich finanziell vollständig von anderen Personen abhängig bin.

Ich bin Realist: Zwei Rücken sind belastbarer als einer.

Welche Konflikte/Spannungen spürst Du zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und Deinem Verständnis von Feminismus und Mutterschaft?

Uta: Wir sind in unserer Situation damit konfrontiert, dass viele Menschen in unserem Umfeld erwarten, dass mein Mann wieder Vollzeit berufstätig wird. Dies entspricht aber nicht unbedingt unserer Idee. Das finde ich anstrengend, weil gerade auch die ältere Generation überhaupt kein Problem damit hätte, wenn ich zu Hause bliebe, aber wenn mein Mann das macht, kein Verständnis hat.

Ein anderes Problemfeld ist für mich, dass es immer noch starke Konflikte unter Frauen darüber gibt, wie eine “gute Mutter” zu sein hat. Mich stören diese Grabenkämpfe und ich wünsche mir, dass Frauen sich besser gegenseitig unterstützen würde, auch wenn sie verschiedene Lebensentwürfe leben.

Sabrina: Schwierige Frage. Auffällig ist, dass ich beispielsweise bei der Logopädin – auch wenn wir als Eltern beide anwesend sind – erste Adressatin bin. Dabei ist mein Mann viel sorgfältiger mit den Übungen beim Kind und er ist dem größeren Kind auch viel lieber als Ansprechpartner für die Übungen. Die Erwartungshaltung der Logopädin ist aber klar: Ich als Mutter müsste da reagieren. Das nervt mich, ehrlich gesagt. Im Kindergarten wurden anfangs wichtige Bemerkungen nur an mich heran getragen – obwohl auch mein Mann die Kinder oft brachte/holte.Nur weil ich die Mutter bin, bin ich kein Alleinansprechpartner für die Umwelt.

Diese Erwartungshaltung von außen manövriert mich außerdem in die Situation, dass ich oft organisatorisch eingespannt werde – ganz automatisch. Anscheinend herrscht da oft der Gedanke vor, ich hätte ja Zeit 😉 Andersherum werden bei finanziellen Verhandlungen in der Regel (hier in der Gegend) die Männer eingespannt. Und wenn es um den Kauf von Technik geht, wird auch fast ausschließlich der Mann adressiert. Das nervt zusätzlich. Nur weil ich gerade ein Kind im Tuch auf der Hüfte habe, kann ich trotzdem zwischen Laptop und Netbook entscheiden und will, wenn es um meine Belange geht, auch persönlich angesprochen werden – statt das mein Mann angeschaut wird.

Sabrina
Hy, hier schreibt Sabrina. Freiberuflich als Copywriterin anzutreffen, mit Mann & zwei Kindern in enger Gemeinschaft. Feministisch, bindungsorientiert & zutiefst sarkastisch. Bekennende #coffeeholic

Ein Gedanke zu „Interview: Mutterschaft und Feminismus“

  1. Heyhey, danke fürs Teilen dieser Interviewreihen. Weil ihr das genau einen Tag nach der Geburt von Kind2 gepostet habt, habe ich nichts davon mitbekommen. Gab es Antworten, vielleicht auch zu dem anderen Artikel zu den (feministischen) Vätern? Ich aktualisiere die Reihe grade und möchte eine eigene Seite daraus machen, also Links gerne zu mir! Liebe Grüße, Melanie von glücklichscheitern

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