Eine Kollegin erzählte mir eine Szene aus dem Spanischunterricht. Sie behandelt gerade das Thema Migration – hochaktuell – und hat mit den SchülerInnen eine Reise in einer patera (einem kleinen Flüchtlingsboot) nachgestellt. Die SchülerInnen haben auch wie erwartet reagiert: “Mir ist heiß.” “Es ist zu eng.” etc.
Als es aber darum ging, dieses Erleben auf die Flüchtlinge zu beziehen, gelang es nur sehr wenig SchülerInnen. Auch beim Anschauen eines Videos zum Thema waren auch Reaktionen wie Lachen und Scherzen dabei.
Man kann jetzt sagen, das seien Schutzreaktionen. Ich glaube aber eher, dass wir es hier mit einem Mangel an Empathie zu tun haben. Vielen SchülerInnen, aber auch vielen der sogenannten “Asylkritiker” fehlt es schlicht an der Fähigkeit, sich in die Lage der Flüchtlinge zu versetzen und sich in sie einzufühlen. Sie reagieren nicht empathisch.
Warum das so ist?
Keine Ahnung. Vielleicht hängt es mit der Erziehung zusammen? Denn fast alle Erwachsene und viele Heranwachsende werden bzw. wurden so erzogen, dass es wichtiger war, zu funktionieren und Leistung zu bringen als Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen.
Ich glaube, dass ein bedürfnisorientierter Umgang miteinander auch die Fähigkeit zur Empathie fördert. Denn wenn wir die Bedürfnisse unserer Mitmenschen wahrnehmen und auf sie eingehen, dann sind wir empathisch. Und wenn Menschen erfahren, dass ihre Bedürfnisse wichtig sind und auf sie eingegangen wird, dann lernen sie auch so zu handeln und die Bedürfnisse anderer zu achten und zu respektieren. Dann lernen sie auch Empathie.
Wozu braucht mach das?
Ich glaube, Empathie ist eine sehr wichtige Fähigkeit, damit Menschen friedlich zusammenleben können. Denn wenn wir uns in andere hineinversetzen können, mit ihnen mitfühlen, dann fällt es uns auch leichter, ihre Anliegen zu verstehen und ihre Perspektive zu begreifen. Dann ist Toleranz und Akzeptanz des Anderen möglich.
Empathie schön und gut, aber was hat das mit den Flüchtlingen zu tun?
Flüchtlinge kommen aus den unterschiedlichsten Motiven zu uns. Aber sie brauchen alle Hilfe. Sie haben verschiedene Herkunftsländer und andere kulturelle Prägungen als wir. Kurz: sie sind anders als wir. Was anders ist, macht oft Angst. Empathie hilft uns, diese Angst zu überwinden. Sie hilft uns, Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen zu helfen.
Natürlich können und sollen wir Empathie immer uns überall üben, aber gerade in der aktuellen Situation bieten sich uns so viele Gelegenheiten, unseren Empathiemuskel zu trainieren. Und gerade weil sich so viele Gelegenheiten bieten, sollten wir sie nutzen.
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch