Hätte ich keine Kinder bekommen, dann hätte ich länger studiert. Ich hatte nämlich damals nicht so recht den Antrieb, fertig zu werden. Hatte mich eingerichtet in den Seminaren, für dich ich keine Scheine machte und in der Cafeteria. Erst die Geburt meines ersten Sohnes hat mir die Motivation gegeben, mein Studium zielstrebig zu beenden.
Wenn ich keine Kinder bekommen hätte, dann hätte ich vielleicht bessere Noten im Referendariat bekomen, vielleicht aber auch nicht. Denn es kann sein, dass ich dann noch viel stärker in diesen Sog aus Leistungsanspruch und Druck geraten wäre, der mich auch so schon sehr fertig gemacht hat. Weil da kein Kind gewesen wäre, das mich wieder zurück auf den Boden gebracht hätte. Ich hätte auch nicht diese Erfahrungen in der Elternarbeit in Kindergarten, Hort und Schule gemacht, die mir in meinem Beruf als Lehrerin helfen, die Elternperspektive mitzudenken.
Wenn ich keine Kinder bekommen hätte, hätte ich mich vielleicht schon auf eine Beförderungsstelle beworben. Dann hätte ich jetzt mehr Geld zur Verfügung, auch weil ich dann vermutlich immernoch Vollzeit arbeiten würde.
Ich könnte spontan ins Kino gehen oder ins Museum. Vielleicht würde ich auch öfter ins Theater oder Konzert gehen, aber wer weiß? Es kann auch sein, dass ich einfach zu Hause bliebe und ein paar Bücher mehr läse als jetzt. (Wobei ich ja in Vollzeit auch mehr Zeit für die Arbeit bräuchte.)
Wahrscheinlich würde ich mich auch wenn ich keine Kinder bekommen hätte ehrenamtlich engagieren. Allerdings vermutlich nicht in der Stillförderung. Dann hätte ich viele tolle Menschen nie kennengelernt. Denn gerade durch mein Engagement habe ich viele bereichernde Erfahrungen gemacht. (Klar, ich hätte andere Menschen kennengelernt und andere Erfahrungen gemacht.) Nicht zuletzt gäbe es ohne die Kinder diesen Blog nicht.
Gerade durch meine Kinder habe ich mich selber besser kennengelernt. Ich hätte ohne Kinder meine Grenzen anders erfahren müssen (vielleicht bei einem Bungee-Sprung?). Denn durch meine Kinder habe ich sie spüren dürfen. Und ich habe gelernt, sie zu sprengen, aber auch, sie zu verteidigen. Ich bin durch meine Kinder oftmals über mich hinausgewachsen.
Es ist auch fraglich, ob ich ohne die Kinder noch mit meinem Mann zusammen wäre. Denn wir hatten schwere Zeiten. Ohne unsere Kinder hätten wir uns vielleicht getrennt. Und das wäre schade, denn die Bewältigung dieser schweren Zeiten hat unsere Beziehung gestärkt. Wir sind miteinander gewachsen.
#regrettingmotherhood
Ob ich meine Mutterschaft bereue? Nein. Das tue ich nicht. Ich kann aber durchaus verstehen, dass es anderen Müttern anders geht als mir. Denn ich hatte auch Unterstützung durch meine Familie und meinen Partner. Ich habe durch mein ehrenamtliches Engagement viele Kontakte zu anderen Müttern, die sich gegenseitig unterstützen. Und ich habe es geschafft, mich von vielen gesellschaftlichen Erwartungen zu befreien.
Denn hier liegt meiner Meinung nach eine Ursache für das Phänomen #regrettingmotherhood. Die hohe Erwartungshaltung, die sowohl in uns steckt als auch von außen an uns herangetragen wird. Die Ansprüche an die gute Mutter. Diese sind einfach nicht mehr zeitgemäß und wir müssen uns fragen, ob sie gut sind für Mutter und Kind.
Die ausreichende Mutter
Wenn wir unsere Ansprüche herunterschrauben, dann sinkt auch der Druck auf die Mutter. Sie muss nicht perfekt sein, gut genug genügt. Denn eine perfekte Mutter tut auch den Kindern nicht gut. Sie brauchen einen Menschen als gegenüber, nicht ein Denkmal. Und das wäre eine perfekte Mutter. Also Mütter, steht zu euren Schwächen! Eure Kinder werden es überleben und es wird euch allen besser gehen dabei.
Mehr Unterstützung – das 50/50-Prinzip
Mütter brauchen Unterstützung. Es war ursprünglich nicht vorgesehen, dass eine Mutter sich alleine um ihre Kinder kümmert. Das ist erst seit relativ kurzer Zeit so. Der Clan – das berühmte Dorf – ist die natürliche Umgebung für Familien. Dort haben die Mütter die Unterstützung, die sie brauchen. Aber heute ist das oft anders. Mütter sind oft die meiste Zeit des Tages alleine mit ihren Kindern. Die Großfamilie existiert oft nicht mehr und sich ein eigenes Dorf zu schaffen braucht Zeit und ist anstrengend.
Umso wichtiger ist meiner Meinung nach, dass sich die Väter entsprechend engagieren. #regrettingmotherhood ist eben oft auch ein Problem, weil der Vater abwesend ist und alle Verantwortung an der Mutter hängen bleibt. Hier halte ich persönlich das 50/50-Prinzip, also die gleichmäßige Aufteilung von Erwerbsarbeit, Kindererziehung, Haushalt und Freizeit für eine gute Lösung. Denn so haben beide Eltern die gleiche Verantwortung, aber auch die gleichen Freiräume, um aufzutanken.
Keine Kinder sind auch keine Lösung
Keine Kinder zu bekommen, ist auch keine Lösung für #regrettingmotherhood. Denn Kinder sind doch immer eine Bereicherung. Und für mich persönlich stellt sich auch die Frage, was denn passiert, wenn wir keine Kinder mehr bekommen. Wir sterben aus, klar. Aber wir berauben uns auch der innovativen Kraft, die Kinder in die Welt bringen. Und wir berauben uns einer riesigen Entwicklungschance. Denn wir können mit unseren Kindern wachsen, uns selbst besser kennenlernen und ganz neue Seiten an uns entdecken. Und das alles ohne Extremsport und teure Therapien. Und ganz ehrlich, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich gegen Kinder entscheide und irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem ich diese Entscheidung bereue, dann kann ich sie vermutlich nie wieder rückkgängig machen. Wohingegen meine Kinder irgendwann ohne mich auskommen und ich viele Dinge, auf die ich jetzt verzichte, dann noch nachholen kann.
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch