Was macht das mit uns? – Bildung auf dem Prüfstand

Wer bestimmt, was Bildung ist?

Das tut zum Einen die Gesellschaft, indem sie gewissen Bildungsinhalten mehr Bedeutung verleiht als anderen. Zum Anderen aber bestimmt der Staat in hohem Maße über Bildungsinhalte, indem er den Schulanwesenheitszwang durchsetzt und staatliche Bildungspläne erlässt, in denen geregelt ist, welche Bildungsinhalte erworben werden sollen. Ein dritter Bereich sind die Medien, die z. B. durch Quizshows mit bestimmen wollen, was man wissen soll, um als gebildet zu gelten.

Wie und wo komme ich an Bildung?

Nun stellt sich die Frage, wie der Mensch sich bildet bzw. wo man Bildung erwirbt. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

  • Schulbildung erwirbt man, wie der Name schon sagt in der Schule. Dabei sollte man beachten, dass das, was hier als Bildung bezeichnet wird vom Staat reguliert wird. Darüber hinaus hat die Schule neben dem Bildungsauftrag noch andere Funktionen, die diesen empfindlich stören können. Durch die Selektion nämlich, die in der Schule stattfindet, wird Bildung – die ja eben mehr ist als reiner Wissenserwerb – teilweise sogar verhindert.
  • Allgemeinbildung kann man zum Beispiel durch Lesen, Teilnahme an Quizshows usw. erwerben, da es sich hierbei eigentlich nicht um Bildung, sondern mehr um die Ansammlung von Wissen handelt.
  • Herzensbildung ist etwas, was man durch die Interaktion und in Beziehung mit Menschen lernt. Sie kommt meiner Meinung nach beim Thema Bildung oft zu kurz.
  • informelle Bildung. Bildung erwirbt man aber auch immer und überall, unabhängig von Institutionen und von Geburt an. Jeder Mensch hat ein inneres Bedürfnis zu lernen und sich weiter zu bilden. Dieses Prinzip liegt dem Gedanken des Freilernens zu Grunde. Das bedeutet, dass man sich an selbst gewählten Inhalten bildet. So haben seit Jahrhunderten unzählige Menschen gelernt und es sind auch viele Forscher und Gelehrte unter den Freilernern.

Meiner Meinung nach ist Freilernen die beste Form sich zu bilden, weil nämlich Inhalte, die man gerne und mit Freude lernt und die man sich selber gewählt hat, viel besser gelernt werden können.

Imkern - Interessensgebiet im Freilernermodus
Imkern – Interessensgebiet im Freilernermodus

Anmerkung von Sabrina:

Oh, da kann ich Uta absolut folgen. Ich habe erst durch meinen Mann (!) das mit dem Freilernen so richtig in “freier Wildbahn” beobachten dürfen. Mir selber kommt das, durch meinen strukturierten Bildungsweg von der Grundschule bis zum Studium immer etwas wild vor – aber es ist eindeutig effektiv und tatsächlich deutlich nachhaltiger. ER behält viele Sachen, für die er sich interessiert. Ich dagegen habe aus der Schulzeit doch ziemlich viel vergessen. Erst jetzt merke ich, wie ich das richtige Freilernen, das entspannte Erarbeiten von Interessantem, so richtig zu schätzen beginne.

 Nun aber zu den Fragen der Blogparade

Wie stark beeinflusst die Bildung eines Menschen beispielsweise den Job?

Das kommt meines Erachtens auf den Job und den Arbeitgeber an. Viele Jobs haben klare Zugangsvorraussetzungen, die sich meist an durch Institutionen erworbenen Bildungsabschlüssen orientieren. Das bedeutet, dass zum Beispiel der Rechtsanwalt keine Stelle bekommt, ohne sowohl ein Jurastudium als auch das dazu gehörige Referendariat erfolgreich abgeschlossen zu haben.

Es gibt aber auch Jobs, in denen nicht so rigide Eingangsvoraussetzungen herrschen und es gibt gar inzwischen Unternehmen, für die Schulnoten in der Bewerbung zweitrangig sind, wie bei der Deutschen Bahn.Und auch Freilerner können Jobs bekommen. Es gibt sogar speziell für sie eine Personalvermittlung. So besteht die Hoffnung, dass nicht die selektiven Institutionen Schule und Universität allein über die Zukunft eines Menschen entscheiden.

Denn wie gebildet ein Mensch nach Besuch solch einer Institution ist, darüber sagt das Zeugnis nur bedingt etwas aus.

Anmerkung von Sabrina:

Hier will ich einhaken. Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich je nach Branche die Zugangsvoraussetzungen sind. Ich beobachte aber auch, dass trotz guter Bildungsvoraussetzungen und formaler Erfüllung der weiteren Ansprüche junge Frauen in bestimmten Branchen kaum Fuß fassen können. Und junge Männer in den frauendominierten Berufen auch nicht. Da zählt dann im Bewerbungsprozess oft genug weder Bildung noch Eignung, sondern nur das Geschlecht (alternativ: Herkunft, Religion, Vorhandensein von Kindern …). Da nützt uns die ganze Bildung nichts, oder?

Beeinflusst Bildung den Wohnort?

Anscheinend schon, denn sonst gäbe es in einzelnen Stadtteilen nicht immer wieder die Tendenz zu beobachten, dass viele Menschen mit ähnlicher Bildung auch nah beieinander wohnen. Wobei hier die Frage ist, ob es wirklich Bildung ist oder doch eher die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Menschen in ähnlichen Verhältnissen in die gleichen Stadtviertel führen. Denn Bildung ist unabhängig vom Einkommen. Es gibt genauso ungebildete Reiche wie gebildete Arme.

Anmerkung von Sabrina:

Es gibt durchaus auch eine bildungsbedingte Migration. Eltern wandern aus Deutschland aus, um ihren Kindern die Schulpflicht zu ersparen. Oder ziehen innerhalb von Deutschland um, um bessere/andere Schulen im Einzugsbereich zu erhalten. Das hat seine Vor- und Nachteile, sowohl für die einzelne Familie als auch für die gesamte Gesellschaft.

Hängt alles miteinander zusammen oder gibt es auch „alternative“ Bildungswege, die zum beruflichen Erfolg führen?

Dazu habe ich ja weiter oben schon etwas geschrieben. Meiner Meinung nach brauchen wir mehr “alternative” Bildungswege und müssen zuerst einmal den Schulanwesenheitszwang in Deutschland abschaffen, denn wenn Schüler_innen nicht mehr in die Schule müssen, dann kommen sie ja vielleicht freiwillig lieber. Und wenn es mehr Alternativen zur Schule gibt, dann muss sich auch die Schule wieder mehr anstrengen, Bildung anders zu vermitteln.

Müssen wir studieren, um viel Geld zu verdienen?

Ein klares Nein. Viele Handwerker verdienen gut. Ein Studium ist heutzutage weder eine Arbeitsplatzgarantie noch verdienen Akademiker zwangsläufig mehr Geld als Nicht-Akademiker.

Anmerkung von Sabrina:

Hah, jetzt musste ich doch sehr laut lachen. Nö. Ohne Studium lässt sich trotzdem – bei Eignung – ordentlich Geld verdienen. Also in dem Bereich, für den Personen mit hohem Studienabschluss trotzdem noch 60h+arbeiten müssen. Hier ist es genauso: Mein Mann hat kein Studium und primär eine vergleichsweise niedrige Schulbildung. Über den zweiten Bildungsweg ist er mittlerweile bei der allgemeinen Hochschulreife angekommen, darf studieren – und verdient auch ohne Studium deutlich mehr als ich – die ich studiert habe und einen guten Abschluss gemacht habe. Er arbeitet allerdings in einer Branche, die schlichtweg lebensgefährlich ist – und ich jongliere mit Texten. Er arbeitet in einem typischen Männerberuf, ich in einem typischen Frauenberuf.

Der Gender-Aspekt darf hier auch einfach nicht aus den Augen verloren werden: tendenziell verdienen Männer immer noch mehr als Frauen, durchaus auch unabhängig davon, welche Bildung sie vorweisen können.

Und was hat das mit unseren Freunden zu tun?

Gute Frage. Ich persönlich kenne gebildete Menschen, die nie studiert haben und Akademiker, die absolute Fachidioten sind. Und gerade was das oben angesprochene Thema Herzensbildung angeht, so hängt diese nicht vom akademischen Abschluss ab. Ich glaube aber auch, dass wir oft Freunde mit einer ähnlichen Bildung haben, weil wir diese an Bildungsinstitutionen kennen gelernt haben. Weil wir zusammen arbeiten und dadurch ähnliche Bildungsabschlüsse haben. Ich suche mir meine Freunde aber nicht nach formaler Bildung aus. Mir persönlich ist Herzensbildung wichtig und ich mag es, wenn wir gemeinsame Themen haben. Und die müssen nicht immer akademisch sein.

Anmerkung von Sabrina:

Die Tendenz ist da, sich Freunde mit ähnlichem Bildungsniveau zu suchen. Ja. Aber, und das aber ist groß und fett und pulsiert: Das liegt in der Regel an ähnlichen Interessen, ähnlichen Lebenswegen, ähnlichen Wünschen. Weniger am eigentlichen Bildungsniveau, aber sehr wohl an der Fähigkeit, zu reflektieren, zu hinterfragen – und sich mit bestimmten Themen zu beschäftigen.

Seit meinem Studium ist mein Freundeskreis recht homogen: überwiegend Frauen, die meisten mit Kindern (oder Kinderfreundlich gesinnt!), eher alternativ (politisch, ökologisch, Musik), mit dem Herz am rechten Fleck, mit Zielen und Träumen jenseits eines 9-to-5 Jobs und dickem Auto und vielseitigen Interessen.

Ich habe erst nach dem Studium so richtig erkannt, wie wenig einen das Studium selbst auf das Leben vorbereitet – das kommt alles erst danach, irgendwie.

Uta
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch

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