“Wem gehört das Kind?” – “Sich selbst.”
Eine gedankenlose Frage. So dahin geworfen.
Erst die Antwort verwirrte den Fragenden.
“Wieso sich selbst? Das meinte ich doch gar nicht.”
Wirklich nicht?
Oft sind es gerade die unüberlegt daher gesagten Phrasen, die unser Denken entlarven.
Wie sehe ich (m)ein Kind? Als Objekt oder Subjekt? Besitz der Eltern? Oder als eigenständiges Individuum von Anfang an? Mit riesigem Potential und unendlichen Entwicklungsmöglichkeiten.
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
(Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931)
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch