Manchmal wäre es mir lieber, sie hätten mir eine Ohrfeige gegeben…

Nach den Berichten über die “Erziehungsmethoden” von Jamie Oliver, rief Susanne Mierau von geborgen wachsen dazu auf, sich gegen Gewalt an Kindern zu positionieren. Auch mir ist dieses Thema wichtig, es fällt mir aber nicht leicht, darüber zu schreiben.

Vorweg sei gesagt: Ich bin von meinen Eltern nicht körperlich gezüchtigt worden. Ich will mir auch nicht anmaßen, verschiedene Gewalterfahrungen gegeneinander aufzuwiegen. Ich möchte lediglich von mir und meinen Erfahrungen berichten.

Ich bin das jüngste von vier Kindern, mit Abstand. Und manchmal hatte ich das Gefühl, ich habe nicht nur zwei Eltern, sondern fünf. Alle fünf haben mich erzogen, oder sollte ich lieber sagen, sie haben mich manipuliert. Und das auf unterschiedliche Art und Weise. Dabei kamen verschiedene Methoden zum Einsatz:

  • Erpressung: Ich durfte jahrelang das Zimmer eines meiner Geschwister nicht betreten, weil dieses mich mit Druck dazu gebracht hatte, einen entsprechenden Vertrag zu unterschreiben.
  • Bestechung: mit Büchern, Zeitschriften, Süßigkeiten.
  • Abwertung: gerade meine Geschwister verstanden es besonders gut, mir zu vermitteln, dass ich klein und dumm bin.
  • usw.

Als besonders schlimm habe ich es aber in Erinnerung, dass mir die Verantwortung für die Gefühleder Erwachsenen aufgeladen wurde. Das waren Äußerungen wie: “Das habe ich von dir nicht erwartet. Jetzt bin ich sehr enttäuscht.” “Du hast mich traurig gemacht.” Diese Äußerungen gingen in der Regel mit vorwurfsvollen und traurigen Blicken einher. Auch Aussagen wie “das was du gemacht hast war so schlimm für mich, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen” haben mir sehr zugesetzt.

Warum ich diese Äußerungen als Gewalt empfinde?

Sie schieben die Verantwortung für die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kindern aufs Kind. Und dort gehört sie nicht hin. Wir Erwachsene sind immer für die Qualität der Beziehung in der Familie verantwortlich. Und diese Verantwortung können wir nicht abgeben.

Unsere Gefühle werden nicht durch unsere Kinder verursacht, sie werden durch sie ausgelöst. Und das ist ein wichtiger Unterschied.

Wenn wir Kindern die Verantwortung für die Beziehung übergeben, dann leiden sie darunter. Sie können sie nicht tragen. Ich hatte als Kind oft das Gefühl, dass ich – so wie ich bin – nicht richtig bin. Dieses Gefühl falsch zu sein, beeinträchtigt mich bis heute. Ich habe immer noch Probleme damit, mich so zu zeigen, wie ich bin und zu mir selbst zu stehen.

Ich hoffe, dass ich das bei meinen Kindern besser mache. Ich versuche es zumindest, indem ich z. B. das Verhalten meiner Kinder und meine Bewertung zu trennen versuche. Ich liebe meine Kinder, egal, was sie tun und hoffe, dass sie das auch wissen. Denn wenn ich etwas an ihnen kritisiere, dann ein konkretes Verhalten. Und schon gar nicht, indem ich ihnen vermittle, sie seien Schuld an meinen Gefühlen.

Den Satz im Titel habe ich oft gedacht, denn ich habe es so empfunden. Nach einer Ohrfeige – so dachte ich – wäre alles gut, der Zorn verraucht und die Schuld beglichen. So musste ich immer nach Wegen suchen, die Gefühle der anderen wieder umzustimmen.

Ein Text, der mich in diesem Zusammenhang sehr inspiriert, stammt von den Kinderrechtszänkern. Welche Gewalterfahrungen habt ihr gemacht? Wie haben sie euch geprägt. Über eure Antworten in den Kommentaren würde ich mich freuen.

Uta
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch

Ein Gedanke zu „Manchmal wäre es mir lieber, sie hätten mir eine Ohrfeige gegeben…“

  1. Was du beschreibst kann ich gut teilen.
    Ich hatte einen Vater der auf der einen Seite alles mit mir unternahm und auf der anderen Seite bei der kleinsten Kleinigkeit wo ich nicht so funktionierte wie es gern hätte mit heftigstem Niedermachen agierte. Nicht nur gegen mich, sondern auch gegen meine Mutter. Da kamen dann so Sprüche wie ” Du bist genauso wie deine bekloppte Mutter” etc.
    diese Susbrüche kamen oft so schnell und unerwartet das ich mich nichtmal auf den ” Ärger” einstellen konnte.
    Mein 6 Jahre älterer Bruder sah sich dieses Verhalten ab und baute es noch aus, mit Bedrohung und Erpressung und oft auch mit körperlicher Gewalt und Psycho terror.

    Ich gebe mein bestes es bei meinem Kind besser zu machen allerdings stelle ich fest das es oft schwer ist nicht die Sätze die mir so weh taten zu wiederholen wenn ich wirklich richtig super bin.Zum Glück gelingt es mir.Es ist wie verhext aber wohl erklärbar mit dem Phänomen das Eltern die als Kind geschlagen wurden selbst ihre Kinder schlagen. Ich durchbreche diesen Kreislauf, alleine schon aus Trotz meinem Vater und Bruder gegenüber.

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