Im letzten Jahr ist mir der große Sohn buchstäblich über den Kopf gewachsen. Er ist auf einmal größer als ich, seine Stimme ist tiefer und ich frage mich, wieso das jetzt so schnell ging.
Gerade noch mein großer kleiner Junge und nun schon fast ein erwachsener Mann. Wo ist die Zeit geblieben? Und warum tue ich mich so schwer damit, das zu akzeptieren?
Vielleicht, weil mit der Änderung der Größenverhältnisse auch nach außen deutlich wird, dass der Große nun kein Kind mehr ist. Dennoch wird er immer “mein Kind” bleiben.
Es ändert sich gerade so viel, dass ich in mir den Drang verspüre, das Kind festzuhalten, weil ich den Mann noch nicht kenne. Vielleicht habe ich auch Angst, keinen Zugang zu diesem Mann zu finden.
Dennoch muss ich ihn loslassen, damit er selbstständig werden kann.
Er selber genießt übrigens seine neue Größe. Nie war seine Körperhaltung gerader. Seitdem er fast so groß wie ich war und jetzt, wo er seinen Vater fast eingeholt hat, geht er besonders aufrecht. Das macht ihn stolz und er fühlt sich stark.
Er nimmt Raum ein und breitet sich aus. Er zeigt sich und reibt sich an uns. Er stellt vieles in Frage und sucht seinen eigenen Weg.
Auch wenn mich das oft unsicher und ängstlich macht, möchte ich ihm diesen Weg nicht verstellen. Ich möchte ihn gehen lassen und hoffe, dass ich ihn noch ein ganzes Stück dieses Weges begleiten darf. Früher hat er mich oft vorgehen lassen auf dem Weg. Heute gehen wir nebeneinander, wobei er manchmal auch schon die Führung übernimmt.
Es beginnt etwas neues, anderes. Und wenn es uns gelingt, in Kontakt zu bleiben ohne ihn zu bremsen, dann werden wir bestimmt erleben, wie aus unserem Kind ein Mann wird, der seinen eigenen Weg geht.
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch