#nwx17

NewWork Event trifft Freiberufler (und Mutter)

Es ist ein Recap vom NewWork Event (#nwx17) in Berlin, veranstaltet von XING. 700 Leute, 80+ Speaker/Panelteilnehmer & Vortragende, schickes Catering und ne nette Location. Viele Leute, ein Thema: Wie Arbeiten künftig funktioniert. Mit Workshops zum Glücklichsein, Studien zur Zufriedenheit und der Frage, ob Vereinbarkeit eigentlich Utopie bleibt. Nur, damit wir uns richtig verstehen: Als ich die Karte bei einem schnöden Facebook-Gewinnspiel gewann, hatte ich tatsächlich mal Zeit zum Organisieren. Und organisieren meint hier: Der Mann musste Urlaub einreichen, die Schwiegermutter sich als Backup parat halten. Weder die Kollegen des Gatten noch die Kinder durften krank werden.

Ohne diese “Wenns” und “Hoffentlichs” hätte ich gar nicht fahren können. Ohne die gewonnene Karte auch nicht, die immerhin zwischen 599,-€ und knapp 800,-€ gekostet hätte. Mal eben. Der Gatte kann als Schichtarbeiter nicht mal eben später zur Arbeit los oder früher gehen. Ganz frei nehmen oder arbeiten, anders geht das momentan nicht. Von “NewWork” ist das für uns aktuelle 24h Schichtmodell dann eben doch noch ein paar Lichtjahre entfernt. Geschweige denn, das für eine vierköpfige Familie mal eben 700,-€ frei für einen einzigen Konferenztag wären. Hendrik Epe hat das ebenfalls beschrieben – und wie er zum elitären Hype um NewWork steht.

Aber es flutschte, keiner fiel aus. Am Tag vorher stieg ich also in den Fernbus, um klimaneutral die 500km bis zum NewWork-Event anzureisen. Warum mir das wichtig war, erklärt sich, wenn wir uns den NewWork-Begriff genauer anschauen.

Ist das dieses Ding mit Obstkorb und Rückenschule?

In aller Kürze: Ne. Eben nicht.

Bei NewWork geht es um das umfassende Konzept der künftigen Erwerbsarbeit. Wobei, eigentlich sogar “der Arbeit”. Aber nicht nur. Es geht auch um Ressourcenschonung (klimaneutrale Anreise, you see?!), um Selbstverpflegung & eigene Steuerbarkeit. Es geht auch darum, das Menschen endlich das machen, was sie wirklich machen wollen. Weil es die Form der Erwerbsarbeit, wie wir sie jetzt kennen, eben nicht auf ewig genau so geben kann.

Weil, und das war auch Thema der Keynote (Einstiegsrede) zum NewWork Event von XING: Bisherige Jobs verschwinden, bisherige Fähigkeiten werden in immer kürzeren Zyklen überholt sein. Die Halbwertszeit von erlernten Fähigkeiten betrug bis vor wenigen Jahren noch Jahrzehnte. Jetzt ist sie bei weniger als fünf (5!) Jahren angelangt. Und sie schrumpft weiter zusammen.

Gemeint ist damit: Wer heute so wie ich im SocialWeb arbeitet, kann mit einer erlernten Fähigkeit in vier bis fünf Jahren nichts mehr anfangen. Weil sich bis dahin längst alles überholt hat. Die Arbeitswelt der Spezialisten verändert sich rasant. Und die aller anderen? Die wird von Automatisierung und – genau – weitreichenden Veränderungen geprägt sein.

NewWork als Konzept, als Betrachtungsweise will die bisherigen Knackpunkte in der Arbeitswelt angehen, wie

  1. Menschen, die ohne echte Verantwortung & Flexibilität Jobs machen,
  2. die sie gar nicht – oder nur des Geldes wegen – machen wollen und
  3. deshalb unmotiviert, semi-produktiv oder schlicht desinteressiert arbeiten, was
  4. sowohl die Gewinne der Unternehmen als auch die Gesundheit der Menschen selbst reduziert.

Denn wer im Job unglücklich ist, sich unterfordert fühlt und/oder seinen Job nur noch absitzt, der wird auf Dauer krank. Gleichzeitig gibt es zig Menschen, die sich den Traumjob nicht leisten können – weil er zu schlecht bezahlt wird. Oder weil die Arbeitsbedingungen drumherum nicht passen. Siehe 24h-Schichtsystem weiter oben.

Jetzt aber: das #nwx17

Einen Tag vorher anreisen, einen danach abreisen. Das ist ein bisschen wie Urlaub – nur mit Übernachtung auf dem Sofa einer Freundin. Und das man stündlich geweckt wird, wahlweise vom quietschendem Baby und/oder dem mitteilungsfreudigen Katzentier. Egal, am Donnerstagmorgen saß ich halbwegs fit und gespannt samt Kaffee in der Wohnung meiner Freundin über den Dächern von Berlin.

Ein paar Stationen mit der S-Bahn, etwas Gestöckele durch den Westhafen, dann akkreditieren und orientieren. Die Eröffungsreden waren überfüllt, laut und bemüht “funky-hip” samt Lightshow und so. Es ging vor allem darum, warum überhaupt ein Event zum NewWork-Konzept gebraucht wird (Veränderung der Arbeitswelt) und wie man damit umgehen sollte (anpassen, locker lassen, weitermachen).

Das drumherum der Location war schick, samt Catering & free Drinks, Kaffee & WLAN. Blöderweise funktionierte das Passwort nicht (ja, so hab ich auch geguckt…!).

Beruhigend: Vereinbarkeit als Selbstverständnis

Sehr, sehr spannend empfand ich die Selbstverständlichkeit, mit der Kinder, Eltern-sein und Vereinbarkeit in den verschiedenen Sessions mit einfloß. Insbesondere von den (größtenteils männlichen) Speakern. Schonmal gut, oder? Schon…..

Parallel dazu ist es ziemlich gut zu wissen, das die ganz großen Namen in der deutschen Unternehmenslandschaft das Thema “NewWork” als Ansatz für optimalere Arbeitsbedingungen auf dem Schirm haben. Auch schonmal gut.

“Big thinking” und der kleine Arbeiter

Irritierend, und zwar im Asteroid-rast-auf-Erde-zu Ausmaß, war die Abwesenheit der “Kleinen”, der Schichtarbeiter, Freelancer, der Angestellten. Um mich herum waren (subjektiv betrachtet) die großen Namen vertreten, die Teilnehmer ihres Zeichens Berater (m/w), Vertriebsleiter (m/w), HR-Professionals (m/w), Unternehmer (m/w). Logisch, bei dem Kartenpreis kommt eben nicht mal eben der kleine Angestellte vorbei – und auch kaum ein Freelancer, wenn er nicht wirklich für das Thema brennt.

Entsprechend groß gedacht waren die angebotenen Themen, für die ich mich interessierte:

  • NewWork – NewCulture – NewPain – mit Thomas Sattelberger, der nochmal betonte: Obstkorb & drei zusätzliche Kranktage sind NICHT NewWork!
  • Budget und Planung vergessen – sehr hörenswerte Session von Niels Pfläging
  • NewWork Families – und die Frage (!!!), ob Vereinbarkeit denn weiterhin Utopie sei
  • Das Zeitalter der Potentialentfaltung – inspirierende Session mit dem EU-Jugendbotschafter (und Flüchtling!) Ali Mahlodji
  • Das Ende der 40h-Woche – Tandemploy stellte sich als Arbeitszeitkonzept vor
  • Empowering Women – onmogul.com Gründerin Tiffany Pham im Gespräch mit EditionF Gründerin Susann Hoffmann (Note: In der Session saßen 98% Frauen *seufz*)
Slide: Warum gehen wir davon aus, das JEDER Job am besten in 40h passt?

Konzepte wie NewWork funktionieren nicht, wenn nur der Angestellte, nur der Freelancer, nur der daheim Betreuende an die notwendigen Veränderungen der Arbeitswelt glaubt. Natürlich müssen diese Veränderungen gesamtgesellschaftlich getragen werden. Es muss normal werden, dass

  1. Arbeitszeiten & Tätigkeiten voneinander entkoppelt werden, um flexibel an die Lebensumstände angepasst werden zu können
  2. im gesamten Lebenszeitraum unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden – auf Arbeit, Selbstentwicklung, Bildung, CareArbeit usw.
  3. Erwerbsarbeit allein kein einzelner glücklichmachender Fokus sein kann – für niemanden

Die Umsetzung aber, die Umsetzung muss gemeinsam erfolgen. Aussagen, die auch in den Sessions und Panel-Runden fielen. Aber die praktische Verwirklichung schienen nur die wenigsten Speaker, Moderatoren und Co. auch wirklich verinnerlicht zu haben.

Oder wie erklärt sich sonst die Frage der Moderatorin Anne Seith vom SPIEGEL an Oda Heister von Ashoka: “Geht das denn nicht zu Lasten der Kinderlosen?”, als es um verteilte Arbeitszeiten und Teilzeit für Eltern ging… (Ja, möglicherweise war es journalistisch-überspitzt gestellt, aber ehrlich, so viel Klischee in jeder ihrer Fragen….).

Ich habe flexible Arbeitszeitgestaltung, projektbasierte, leistungsbezogene Vergütungen & so weiter und so fort durch die pure Notwendigkeit von sieben Jahren Freiberuflichkeit, samt Kindern und dank begrenzten Kinderbetreuungszeiten erlebt. Wie es funktionieren kann, wo die Tücken sind, was es erleichtern würde.

Dafür erscheinen mir die Erlebnisberichte aus den Konzernetagen, wenn man sich um Übergabezeiten beim Tandemploy-Modell Gedanken macht, weit hergeholt. Wenn sich zwei Menschen finden, um gemeinsam einen Job zu machen, dann werden sie Kinderbetreuung, Urlaub und Co. ja wohl gemeinsam regeln. Aber selbst diese Annahme scheint keinesfalls selbstverständlich zu sein – wenn man bisher im Konzern grundsätzlich alles regelte, scheint solche Freiheit schwer annehmbar. Eigenversorgung, selbstständige Erarbeitung von neuen Skills und viel Randwissen? Scheint auch nicht so arg verbreitet zu sein, sondern förderungswürdig.

NewWork Event Westhafen/Berlin

Und dann war er rum, der lange Tag. Zurück durch den Westhafen, mit der S-Bahn zu meiner Freundin. Abend ausklingen lassen. Am nächsten morgen zurück mit dem Fernbus nach Hause. Zurück zu flexiblen Arbeitszeiten, zu agiler Projektorganisation, zu extrem flachen (haha) Strukturen.

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Sabrina
Hy, hier schreibt Sabrina. Freiberuflich als Copywriterin anzutreffen, mit Mann & zwei Kindern in enger Gemeinschaft. Feministisch, bindungsorientiert & zutiefst sarkastisch. Bekennende #coffeeholic

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