Muss ich denn wirklich über alles diskutieren? Kann der nicht einfach mal hören?
Solche Sätze höre ich immer wieder. Und ich gebe zu, auch ich denke sie manchmal. Wie schön wäre es, wenn mein Kind einfach mal das tun würde, was ich ihm sage? Ich wünsche mir Gehorsam.
Moment mal – Gehorsam? Das klingt jetzt aber autoritär und erzieherisch.
Ja, das stimmt. Denn genau das ist es auch. Wenn ich möchte, dass mein Kind widerspruchslos das tut, was ich von ihm verlange, dann möchte ich, dass es gehorcht.
Aber er soll doch nur hören.
Vielleicht tut er das ja. Er hört dir zu. Er nimmt deine Worte auf. Das Problem, das du damit hast ist, dass er die von dir geforderte Handlung nicht ausführt. Und das nennst du “Nicht-Hören”. Dabei meinst du, dass dir dein Kind nicht gehorcht.
Aber Kinder müssen doch auch mal tun, was man ihnen sagt
Jetzt kommt wieder das Beispiel mit der Straße. Klar, wenn mein Kind einfach vor ein fahrendes Auto rennt, dann halte ich es davon ab. Und wenn ich vorher schon dreimal “Stopp!” gerufen habe, dann hat mein Kind nicht gehorcht. In dieser Situation kann das lebenswichtig sein. Aber meistens ist es das nicht.
In den allermeisten Fällen ist es nicht lebensnotwendig, dass mein Kind augenblicklich das tut, was ich ihm gesagt habe. Natürlich ist es angenehm, wenn es das tut, denn dann muss ich es nicht selber machen/darüber diskutieren oder was auch immer. Aber lebensnotwendig ist es nicht.
Was möchte ich denn mit meiner Forderung nach Gehorsam erreichen?
- Möchte ich mein Kind auf “den Ernst des Lebens” vorbereiten? Denn später, in der Schule/im Beruf kann es ja auch nicht einfach tun und lassen, was es will. Dann bleibt die Frage, ob es das wirklich jetzt schon lernen muss. Vielleicht reicht es auch, wenn es das dann lernt, wenn es eben soweit ist.
- Möchte ich vielleicht einfach nicht diskutieren? Dann sollte ich das klar kennzeichnen. Denn häufig formulieren wir eine Bitte, wenn wir eine Aufforderung meinen. Klingt ja auch netter. Nur sollten wir uns dann nicht wundern, wenn das Kind die Bitte ablehnt. Denn das ist bei einer Bitte ja möglich.
- Ist es für mich einfach bequemer? Denn diskutieren kostet Zeit und Kraft. Man muss begründen, warum das Kind etwas tun oder lassen soll. Und vielleicht stellt man dabei fest, dass man gar keinen wirklichen Grund hat.
Ich stelle mir immer die Frage, ob ein gehorsames Kind wirklich so ein erstrebenswertes Erziehungsziel ist. Denn ich persönlich möchte Kinder, die nicht einfach gehorchen. Ich möchte, dass sie Fragen stellen und sich Gedanken darüber machen, ob es sinnvoll ist, etwas zu tun oder nicht.
Wenn dies aber meine Überzeugung ist, dann darf ich auch keinen Gehorsam von ihnen erwarten. Dann muss ich bereit sein, meine Forderungen zu begründen und auch ein Nein auf eine Bitte zu akzeptieren. Natürlich kann das anstrengend sein. Aber vielleicht ist es auch die Mühe wert.
Hinzu kommt noch, dass ich meinen eigenen Umgang mit meinen Kindern hinterfragen sollte.
- Höre ich ihnen denn zu?
- Komme ich ihren Bitten nach?
Denn ich bin der Überzeugung, dass Kinder, denen zugehört und die ernst genommen werden, in ihren Bedürfnissen auch selber die Bedürfnisse anderer sehen können und auch selber zuhören.
Sehr empfehlen kann ich übrigens als Lektüre zum Thema das grandiose Buch von Alfie Kohn “Liebe und Eigenständigkeit”
Mutter von zwei, Lehrerin, Stadtmensch
Hallo, ich habe für mich herausgefunden, dass ein fester Rahmen von Regeln prima funktioniert. In diesem Rahmen gibt es jedoch viele Freiheiten. Bei uns sieht das konkret so aus, dass es außer den Regeln im Straßenverkehr eine handvoll Regeln für das Familienleben gibt.
Das wird von Familie zu Familie unterschiedlich sein, bei uns ist es z.B. dass es feste Zeiten fürs Abendessen und fürs Schlafengehen gibt, dass wir Hallo, Danke und Bitte sagen, dass es nur zur Kaffeezeit Süßigkeiten gibt, dass wir uns nicht schlagen, kneifen oder beißen, dass am Esstisch und bei Besuch nicht geflucht und nicht geschrien wird, dass beim Essen auch unbekannte Speisen wenigstens probiert werden, dass die Schränke der Erwachsenen tabu sind und dass Erwachsene auch mal Zeit für sich alleine benötigen (In der Zeit sind wir zwar anwesend, aber nur einer von uns ansprechbar).
Inwiefern das alles eingehalten werden kann, ist natürlich altersabhängig. Wir sind viel im Dialog, finden meistens auch Kompromisse, wenn einer dies und der andere das möchte und lassen unsere Kinder in Ruhe, wenn sie sich gerade alleine beschäftigen. Ich denke, dass ist gut so und wir sind weit weg davon, Gehorsam zu erwarten. 🙂 Lieben Gruß, Martamam